Thursday, 5. August 2004

Kalte Hand am Hintern. Meine wird’s nicht sein, so verknotet schlaf ich nicht. Achja. Erinnerung. Das ist ja schon mal passiert. Grad gestern morgen. Und davor auch. Und vorher war das Ritual. Der Austausch der digitalen Identitäten, dann SMSen und mailen. Ich bin eine Wahnsinnige, wenn es um so was geht. Ich will einen Stecker in seinem Kopf haben, damit ich alles rausziehen kann, was mich interessiert, was mich abstößt. Gerade das, was mich abstößt, denn ich will ja einen Grund haben, es nicht zu tun. Das wird, nicht besonders überraschend, immer gerne falsch verstanden und am Ende als Interesse ausgelegt. Als Interesse fürs Ficken. Dabei will ich eigentlich abchecken, welche Gründe es geben könnte, genau das nicht zu tun, damit ich am Ende nicht so eine Überraschung habe, wie eine kalte Hand auf meinem Hintern von einem kahlgeschorenen Maler, der wahrscheinlich wahnsinniger ist, als ich es jemals in meinem Leben sein kann. Ich meine, wer drei mal drei Meter große Leinwände mit Werbesprüchen, Blut, Sperma, Ölfarbe, Wasser, Zeitungsausrissen und halbverbrannten Playmobilfiguren herstellt kann einfach nicht alle beieinander haben. Ich lass mich zur Not in Ketten legen, wenn mir danach ist, mich später beschissen fühlen und mit meinem Selbstverständnis rum zu kämpfen kann schon mal dazu gehören, aber der wichst auf eine Leinwand, auf ein Britney Spears Bild.
Angefangen hatte diese, offenbar noch nicht abgeschlossene Episode meines Lebens, auf einer dieser hinterm Hinterhof, rechts, fünfter Stock, lila Klingel Treptow mit Wasserblick Parties. Alles weiß, Porno an Wand, Bier in der Hand, Leute, die man sonst auf attac Demos vermutet, und von denen nun endlich mal weiß, was sie Abends machen. Ich hatte nach kurzem Augenschein wenigsten ein paar Schwarze, Latinos oder Inder vermutet, aber es gab nicht mal einen der sonst üblichen Ex-Exil Chilenen, die sonst in der Stadt auf jeder Party rumhängen. Es gab, immerhin, gute Musik und meine Hose saß auch. Was will man erst mal mehr.
Dann später Performance. Performance klingt für mich immer ein bisschen nach cholerischem Trendforschergebrüll. Da exaltiert sich einer, weil er was sagen will, und weil er was provozieren will, aus seinem Selbst heraus, das natürlich alle anderen nicht verstehen, weil sie zu doof sind. Was soll er dann auch sonst machen außer brüllen, denn sonst hört ja keiner zu. Also wurde es still und man hörte diese Stimme, die von irgendwo her kam, aber scheinbar nicht aus dem Raum, bis man feststellte, dass da einer hinter den meterlangen, roten Dingern stand, die wohl Bilder sein sollten. Er redete mal leise, mal laut, mal davon, dass er gerne seiner Sozialamtsachbearbeiterin in den Mund pinkeln würde (betroffenes Schweigen der attac Belegschaft), mal erzählte er von einem kleinen Hund, den er als Kind hatte, mal wie er Abends über Britney Spears kommen würde, immer mitten in die Fresse rein. Da lachte die attac Gesellschaft und ich auch, aber ich hab dann nicht mehr gelacht, als er mir drei Wochen später gestand, dass er das tatsächlich machen würde und mich bat dabei zu zu sehen, was ich auch gemacht habe, weil ich es einfach nicht glauben konnte. Wieder klüger geworden.
An dem Abend aber noch nicht, da hab ich gelacht, weil ich es einfach absurd fand, dass jemand hinter seinem Bild steht und es versucht mit Metaphern zu erklären. Metametaebene. Aber das, was dann hinter dem Bild auftauchte, hat mir fast die Stiefel ausgezogen und ich hab unwillkürlich den Bauch eingezogen, weil ich die Idee sehr gut fand, dass ich ihn geil machen könnte. Es nicht so, dass mich die Äußerlichkeit eines Körpers in irgendeiner Form beeinflussen könnte. Ich fand Männer schön, die mindestens 20 Kilo zuviel auf den Rippen hatten, und wenn ich mit ihnen unterwegs war und eine Tusse meinte "Oh, sehr gemütlich", dann hab ich gesagt "Ein Mann ohne Bauch, ist wie ein Zaun ohne Latten" und ich hab das ernst gemeint. Aber der Maler hat eine Figur, die mich "umpf" sagen lässt. Ein tolles, angedeutetes V, eine kantigen Schädel, einen Arsch aus Eisen, und selbst wenn er nackt ist, ist es so, als ob er eine zweite Haut trägt.
Viele Biere später war mir sein Vortrag dann ebenso egal wie seine Bilder von der Größe Andorras. Ich wollte ihn ausziehen, und das möglichst schnell. Aber ich war für ihn wohl so eine Mitte-Schlampe, so eine, bei der man schon sehen kann, dass sie bald nach Charlottenburg in eine Altbau-Wohnung zieht und jungen Künstlern eine Vernissage verpassen kann, weil sie mal mit einem Galeristen gevögelt hat, der Jahre später seine Bisexualität entdeckt hat. Ich war für ihn zu glatt, zu geil, zu anhänglich. Aber offenbar auch zu leicht ergatterbares Fleisch, als dass er sich nicht gemeldet hat. "Ich dachte," sagte er irgendwann später, " Du bist so eine, die eine schnelle Trophäe sucht, mal eben mit einem Künstler gefickt, aber nicht nach gedacht, warum der Künstler ist." Ne, so bin ich nicht, hab ich versichert, und so bin ich auch wirklich nicht, denn wenn ich merke, dass mir einer gefährlich wird, dann mach ich eben meine SMS und Mail Arie. Aber ich hab ihn angesehen, ihm zwischen die Beine gegriffen und "Wer weiß" gesagt. Nur nichts preisgeben.
Er hat mich dann in seiner Wohnung/Schlafzimmer/ Atelier/Küche bekocht. Was langweiliges indisches, und er hat mir seine Bilder gezeigt, von denen ich keins verstanden habe, und das mit den vielen Schlieren drauf noch irgendwie spannend fand. Da hab ich „Pollock“ gesagt, und er hat mich angesehen, und gesagt, dass sei ja toll, er würde Pollock so geil finden, er würde ihn dekonstruieren wollen und noch was oben drauf setzen. Ich hab ihm nicht gesagt, dass das ein echter Zufallstreffer meinerseits war, weil ich Ed Harris so toll finde, der mal einen Film über Pollock gemacht hat. Ich meine, hey, ich wollte diesen Maler wirklich.

Wir haben uns unfassbar betrunken. Wir haben so viel getrunken, dass ich fast den Eindruck hatte wieder nüchtern zu werden. Wir haben die Nacht durch geredet, und haben im Morgengrauen endlich den Tisch zwischen uns beiseite geschoben um im stehen zu ficken. Er mir einfach die Klamotten vom Leib gerissen, mir derartig in meine Brust gebissen, dass ich seinen Gebissabdruck noch eine Woche später sehen konnte. Er hat mir die Hose und den Slip runter gezogen, mich gegen den Tisch gestellt und ich hab versucht mich abzustützen ohne dass die dreimillionen Flaschen runterfallen. Er hat sich keine Zeit genommen, und von außen sah es wahrscheinlich aus, als wenn ein chinesischer Schnellimbisskoch an seinen Wok rumrüttelt. Später noch mal, aber mit mehr Gefühl, dann am nächsten Morgen das erste mal die kalte Hand auf meinem Hintern. Man muß mit ihm nämlich bewegungslos schlafen. Eingerollt auf der Seite – patsch - Hand auf dem Hintern. Und es ist egal, ob es draußen 30 Grad hat, oder man unter der Decke liegt. Seine Hand wird irgendwann kalt. Wenn man es ihm sagt, dann lacht er und antwortet „Zuviel Zigaretten, schlechte Durchblutung“ was ich ihm sofort glaube, wenn er seine Füße unter meine schiebt.

Ich hab ihn dann mal gefragt, was er da eigentlich macht, mit seinen Bildern. Dann kam eben Pollock und eine lange Erklärung, die darauf hinaus lief, dass alles Schlechte aus ihm heraus malen will. Er will es herausbrechen, auskotzen, am liebsten sein Herz aus Brust reißen, und das Blut auf der Leinwand verschmieren. Nach einer Malsession ist er ein erschöpftes, kleines Kind, vorher ein ekelhafter Berserker. Mit ihm vor einer Malsession zu schlafen, bedeutet Schmerz, Angst und Willkür. Dann nimmt er sich, was er braucht, ohne auch nur einen Moment darüber nachzudenken, was ich denke. Dann will er mich auf der angefangenen Leinwand ficken, damit er die Flecken in sein Bild einarbeiten kann. Nach der Session ist weich, warm, leicht, anhänglich, verletzlich, eine wunde Seele. Manchmal eine Seele, die büßen will. Ich verstehe nicht, was er will. Ich hab keine Ahnung, warum er so ist, wie er ist. Ich weiß nicht, ob er über mich herfällt, weil er Angst hat, oder ob wissen will, wann ich ihm eine Grenze setze. Wann ich „Stop“ sage, weil ich das Gefühl nicht mehr ertragen kann, ein Werkzeug zu sein. Und er hat mich benutzt. Ich musste mich auf die Leinwand setzen und es mir selber machen. Er wollte zusehen, hat dabei einen blauen Kreis um mich gemalt und ist fast wahnsinnig geworden, als ich nicht kommen konnte. Er hat mich beschimpft, sich verzweifelt abwendet, als wenn ich eine Schülerin sei, die 1+1 nicht zusammen zählen kann. Ich hab ihm gesagt „Dann fick mich halt hier“ und er hat gesagt „Das macht das ganze Bild kaputt, du blöde Fotze.“
Ich weiß, dass er mich nicht zerstören kann. So etwas weiß man schnell. Er kann mich an Haken unter die Decke hängen, aber ich weiß, dass er mir nicht weh tun kann. Er sagte neulich: „Ich mag Dich dafür, dass ich Dir nichts tun kann, aber es macht mir auch Angst.“ Da hab ich in mich hinein gelächelt und ich wusste, dass ich keine Angst mehr vor ihm haben muss.

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Schade Elf Jahre You spät
bin ich leider auf diesem Blog gekommen. Schade denn diese...
by Francesa (6/12/15, 4:42 PM)
Sehr schade, da bin ich
wohl ein paar Jahre zu spät auf den Blog...
by Chris123- (10/10/11, 4:46 PM)
sehr schön :) Eine hinreißende
Geschichte. Auch ich habe schon überlegt wie es wäre mit...
by ariane19 (6/30/11, 3:36 PM)
auch fieber?
by don papp (10/1/07, 10:53 PM)
tolle bücklinks hier
by DaveKay (10/1/07, 10:43 PM)
Beirut Der stand wohl voll
unter dem Einfluss von "Operation Dinner out", wenn es diesen...
by mainbube (5/21/07, 4:37 PM)
Ist es denn so,
dass man nur ohne Lüge reines Glück haben kann?
by kleinesf (5/4/07, 3:22 PM)
am Rande verstanden aber wie
gehts weiter? Kommt noch was? Wo ist sie denn?
by rixr (4/19/06, 4:06 PM)
Künstlerglück: Ein Pornoteppich ist auch
kein Frauenvideorecorder. Gruß Gunter Kunst ist bewußte Kreativität. Kreativität ist...
by gunter gutenberg (10/17/05, 7:16 PM)
Frei und Unmoralisch. Wahnsinn! Ich
hab dich in der Kiste und wir essen Kopfsalat. Gruß...
by gunter gutenberg (10/17/05, 7:08 PM)
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