Monday, 30. August 2004

Ich werd ab und an gefragt, warum ich so selten etwas eintrage. Da könnte ich jetzt eine ganze Menge an Gründen aufführen, aber vor allem gibt es einen: Wenn ich denn schon mal was schreibe, dann muss es sitzen. Dann muss ich vor allem erst mal selber damit zufrieden sein. Schreiben gehört nicht eben zu meinem Hauptberuf. Zwischendurch macht es mal Spaß, aber es ist keine Berufung. Oft genug fällt es mir schwer, auch nur eine Zeile schreiben zu können, weil ich das Gefühl habe, dass ich zu weit weg von mir selber bin. Oder zu abgelenkt, wegen Arbeit, Privatleben was weiß ich.
Ich schreibe öffentlich nun bald ein Jahr, und manchmal bin ich erstaunt, welche Reaktionen ich hervorrufe. Warum sich manche an der Art und Weise wie ich schreibe so sehr reiben. Sicher, wenn ich manche Blogs lese, dann fällt meine Kinnlade auch schon mal sehr weit nach unten, aber drei Sekunden nach dem wegklicken, ist es wieder gut. Mein Leben ist viel zu anstrengend, als das ich mich auch noch über so was aufrege. Warum andere diesen Mechanismus bei sich selber nicht finden, ist mir ein Rätsel.

Diese Hartnäckigkeit, mit denen manche Menschen den Dingen begegnen, die sie nicht versehen, kenne ich aus, jetzt kommt eine große Überraschung, einer Affäre. Mit einem Berliner Schauspieler. Kennen gelernt hatte ich den auf einer Premierenfeier, auf die mich meine unermüdliche Freundin K. hingeschleppt hatte. Die mag so was. Die mag in Charlottenburg rumstehen und Sektgläser zwischen den Fingern rollen. Die mag Fummel tragen und sich über Renditen unterhalten. Vor allem aber mag sie Schauspieler. Junge Schauspieler, die zwar ein bisschen was geschafft haben, aber immer noch rotgesichtig nach der Aufführung an der Bierbar rumhängen. Da versucht sie gerne mal zu zu greifen, meist ohne Erfolg, weil, sagt sie, Schauspieler ein inzestuöses Volk seien, die nur mit sich selber ficken und auch nur dann, wenn sie sicher sind, dass der/die andere auch versteht, was sie machen. Erinnere mich dabei gerade an eine Diskussion mit einer Schauspielerin, in der es darum gibt, ob man sich als Partner eigentlich jemals sicher sein kann, dass die Partnerin einen Orgasmus hatte, und selbst wenn sie hat, ob man den nicht als schlechtes Schauspiel empfindet.
Jedenfalls hatte K. mich auf diese Premiere geschleppt und sehr viel später an der Bar orderte ich zwei Wodka für K. und mich, weil wir dachten: "Jetzt ist es auch egal". Ich stand da, sagte "Zwei Wodka" und schräg hinter mir einer "Drei!". Aus unverschämt wunderschönen Augen blitzte es in meine Richtung und ich sagte "Aber doppelte". Wenn etwas so schon los geht, dann weiß man ja wie das endet. Also später Sex, sehr lustigen, sehr viel später dann noch mal. Dann war er wieder weg, irgendwo anders spielen, was mir nicht unangenehm war, denn so richtig konnte ich mit ihm nichts anfangen. Gut, Augen. Aber das reicht ja nun wirklich nicht. Auch im Bett war er, eher hmpf. Also lustig, wie erwähnt, weil er Klassiker während des Vögelns beiläufig runter murmeln konnte, und nach (seinem) Orgasmus immer so hübsch aufgedreht war.
Ich war damals aber gerade auf der Suche nach den unteren Bereichen meines Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls, und empfand es als herausragende Idee, dies gerade auch im Bett aus zu probieren. Also gab es ein paar Dinge die wollte. Mit ekstatischen Worten der Unfreundlichkeit bedacht werden. Detaillierten Anweisungen folgen. An den Haaren gezogen werden. Gefickt werden im allgemeinen.
Dies wiederum stand in völligen Gegensatz zu der Art von Liebe, die der junge Herr im Kopf hatte. Er wollte GROSSARTIGEN, WELTERSCHÜTTERNDEN Sex, bei dem man sich DAS HERZ AUS DER BRUST REISSEN WILL und man Ende zitternd, vielleicht ein wenig zusammen weinend neben einander lag. [Hervorhebungen von ihm] Das konnte nicht gut gehen, den so was wollte ich nun schon mal gar nicht. Ich wollte lieber von einem Egomanen befriedigt werden, als einem Egomanen zu befriedigen. Das wir in unserer sexuellen Handlungsweise nicht eben parallel tickten, machte ihm auch große Sorgen. Ich solle mehr positiv denken, sagte er. Ich solle doch die Schönheit des Moments in dem wir alle seit der Geburt doch zum ersten Mal gleich seien, genießen, meinte er. Gute Idee, dachte ich, dass mache ich, nachdem ich mich fertig gemacht habe.

Was mir nicht klar war, war der Umstand, dass sein Sendungsbewusstsein keineswegs am Theaterausgang aufhörte. Er hatte sich vorgenommen, mir zu zeigen, wie das geht, mit dem erfüllten Sex. Ich sägte ihn ab. Er ließ sich nicht von seiner Mission abbringen. Ich ging auf eine Party und knutschte vor seinen Augen mit einem anderen rum. Er schaute mich traurig an und sagte "Ich weiß, dass Du das nur machst, weil Du nicht anders kannst." Ich sagte "Falsch, weil ich nichts anderes kann". Er war davon überzeugt, dass ich etwas falsch mache, er wollte mich gerade biegen. Er wollte es auch dann noch, als er Monate später eine Freundin hatte. Er rief weiter mindestens einmal die Woche an, er schrieb mir Briefe. Ich sagte immer: "Wir leben einfach andere Dinge. Ich will Dich doch auch nicht von Deinem abbringen, also lass mir mein Leben" Er hörte nicht zu. Er sagte: "Du vergeudest das Leben" und ich antwortete "Genau! Du hast begriffen". Hatte er nicht.

Es dauerte lange, bis er mich in Ruhe ließ. Irgendwann war er verschwunden in der Provinz, Bielefeld oder so. Einmal sah ich ihn bei "Ein Fall für Zwei" als Kneipenbesucher. Ich verstehe das bis heute nicht, warum man sich an Dingen festklammert, die nicht für einen gemacht sind. Weil man sich was beweisen will? Weil man denkt, dass die eigene Meinung für andere wichtig oder gar maßgebend sein sollte? Weil sonst nichts zu tun hat, und was zum aufregen sucht, so in der Art eines Rentners, der Falschparker weitermeldet? Warum nicht einfach mal denken: Nicht mein Leben, finde ich doof, aber ich hab ja meins, dass ich jetzt gerne ohne Unterbrechung weiter leben möchte. Wie gesagt, ein Rätsel, aber vielleicht auch einfach nur unterschiedliche Prioritäten im Leben.

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sitzt.

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nix sitzt

es geht ums ficken, verschleiert mit der mit der missbraeuchlichen verwendung als beispiel dafuer, wie unterschiedlich doch zwei menschen sein koennen.
deine darstellung des armen jungen als hoffnungslosen, vielleicht ein wenig larmoyanten romantiker ehrt ihn in meinen augen eher. wie gesagt, alles ein wenig garstig.
die angeblichen selbst-erkennungs-findungs-grenzen-des-unterbewusstseins-auslotungs-trips denen man hier ab und an verfaellt, scheinen in der mehrzahl zwanghaft im sexuellen bereich stattfinden zu muessen, um dann durch einen mechanismus die "ergebnisse" auf alle aspekte des lebens auszuweiten.
darf man (irgendwann, sofern noch nicht beendet)erfahren, was die haar-zieh-grooves, die ekstatischen wörter wegen der gastfreundschaft, die einhaltung der detaillierten anweisungen und zu guter letzt das blosse gefickt-werden durch einen egomanen fuer ergebnisse verursacht haben?

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Nein, man wird es wohl nicht erfahren.

Aber hoffentlich kommen bald noch mehr Geschichten, andere, egal welche...

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Wie wahr ...

... einfach nur treffend formuliert und das ganze auch noch erotisch verpackt, denn das ist ja hier Programm. (ich wollte ja noch sagen, wer nichts über Sex lesen möchte, der sollte selbiges hier nicht tun, aber das spare ich mir lieber)

Und sogar der junge Schauspieler wäre noch gut dabei weggekommen. Wenn er doch nur nicht so hartnäckig gewesen wäre. Aber selbst das kann man unter Umständen noch als Tugend betrachten. (kommt halt auf den Betrachter an. Übrigens nicht garstig, sonder subjektiv, und objektive Erzählungen erwarte ich hier nicht)

Nicht meine Art zu leben, aber auch eine Art und die ist auch noch durchaus interessant.

Gruß

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@Peaches - suchen sie sich mal ein anderes Pseudonym. Ihrs paßt nicht zu ihnen

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stimmt

eigentlich sollte die autorin so heißen.

ich finde die geschichten nebenbei schön geschrieben und freu mich dass es das gibt, falls BdJ das etwas bringt

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peaches

find ich arm(musikalisch und vom habitus), frau belledejour ist interessanter.
gut an dem artikel:
«If you change your mind, I'm the first in line / Honey I'm still free / Take a chance on me.» (Abba)

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och...

der nick ist schon ganz in ordnung, finde ich. der hat weniger mit abba oder gar den a-teens zu tun, wie mutant mutmaßt.
ich selber schlafe mit meinem partner unter anderem gerne zu den klangen eines songs aus dem album "slowhand" eric claptons, dreimal duerfen Sie, meine herrschaften, raten.
Frau de jour haette ausnahmsweise mal gruendlich sein koennen und ihrerseits den ihrer meinung nach zu mir passenden nick vorschlagen koennen.
dass hier "erotik programm sei" und "wenn man nichts ueber sex lesen will, sollte man nicht hier sein" wage ich zu widersprechen; um der hobby-psychologischen profiluntersuchung ihrer sexualpartner (zu mehr reicht es im moment anscheinend nicht) und der quasi-philosophischen ausfluege ("wieso sind menschen eigentlich...>X< ("X" steht hier fuer irgendeine beliebige, unwichtige banalitaet - es obliegt an ihnen, werte b-d-j-gemeinde, sich eine auszusuchen, so schwer ist es nicht - niemand hat ja behauptet, dass man es sich hier nicht schwer macht)) willen werden immer wieder kleine fickereien eingestreut.
mag aber durchaus leute geben, die dies als erotisierend empfinden, nundenn.

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sie recherchieren auch nicht

sehr gruendlich, scheint mir.
im uebrigen kommen sie mir hier mal nicht mit den a-teens wenn ich ewige wahrheiten zitiere.

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das eigene Leben leben

Sehr geehrte BelledeJour, Ihre Geschichten sind sehr lesenswert und man kann Ihnen uneingeschränkt zustimmen: das eigene Leben, erscheint es auch noch so klein, ist ungemein lebenswert für mich(!)- was nicht heißen muss, dass es das auch für andere wäre, ebensowenig wie das Leben anderer vielleciht für mich- aber immer interessant zu sehen, wie ander so ihr Leben ausgestalten und meistern, aber man sollte es ihnen überlassen, welche+wieviel Farbe sie für ihr Leben wählen- freue mich schon auf Ihre nächsten Erlebnisse- Herzlichst kantenhaube

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was erkennen wir meine schäfchen,

es braucht viele worte die elegant verschlungen werden um nur das eine: sündhafte bumserei!

ein porno eingefüllt in einen teppich von worten!

der visitator erkennt natürlich, dass die sündhafte lustbefriedigung sich aus den kommentaren für das geschreibsel ergibt und nicht aus den tatsächlichen geschehnissen.

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Welch ein Stehempfangs-BlaBla in den Kommentaren.

1. Ihre Story ist gut . auch ohne Stellungstipps.

2. Wenn man sich die Kommentare ansieht, erkennt man den Unterschied zwischen blogger.de und antville.org. Antville. ein Ort der Tachinierer, wie man bei uns sagt.

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für die die so blöd wie ich sind [von hier]:

Tachinierer, der

Wortart: Substantiv
Wortbildung: Ableitung
Bedeutung: arbeitsscheuer Mensch; österr. ugs. für Faulenzer; Drückeberger; jemand, der sich z.B. vom Arbeiten drückt; Müßiggänger

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Privatleben lenkt ab?

Hm, sehr befremdlich.
Welch unzählige Anzahl von Lesern wartet nur darauf, an Deinem Privatleben mithilfe dieses Blogs teilnehmen zu können. Und Du teilst dieser geifernden Schar nun mit, daß Du nicht schreibst, wenn das 'Privatleben' stattfindet.

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ein perfektionist! oder ist das jetzt nur eine taeuschung dieses teuflischen neuen mediums?

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Frei und Unmoralisch.

Wahnsinn! Ich hab dich in der Kiste und wir essen Kopfsalat.

Gruß Gunter

Kunst ist bewußte Kreativität. Kreativität ist Addition.
Glück sind grüne Augen.

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Schade Elf Jahre You spät
bin ich leider auf diesem Blog gekommen. Schade denn diese...
by Francesa (6/12/15, 4:42 PM)
Sehr schade, da bin ich
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sehr schön :) Eine hinreißende
Geschichte. Auch ich habe schon überlegt wie es wäre mit...
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auch fieber?
by don papp (10/1/07, 10:53 PM)
tolle bücklinks hier
by DaveKay (10/1/07, 10:43 PM)
Beirut Der stand wohl voll
unter dem Einfluss von "Operation Dinner out", wenn es diesen...
by mainbube (5/21/07, 4:37 PM)
Ist es denn so,
dass man nur ohne Lüge reines Glück haben kann?
by kleinesf (5/4/07, 3:22 PM)
am Rande verstanden aber wie
gehts weiter? Kommt noch was? Wo ist sie denn?
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Künstlerglück: Ein Pornoteppich ist auch
kein Frauenvideorecorder. Gruß Gunter Kunst ist bewußte Kreativität. Kreativität ist...
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